Mit Plasma oder Umluft gegen Corona? Pattenser Rat diskutiert weiter über Filteranlagen in Schulen und Kitas
Der Stadtrat in Pattensen hatte sich bereits für Umluftfilter in einem Teil der Schul- und Kitagebäude ausgesprochen. Doch nun gibt es plötzlich eine Alternative, die vermeintlich deutlich günstiger wäre: Der Sarstedter Unternehmer Torsten Lühr stellte die Plasma-Filter jetzt Ratspolitikern vor.

Präsentation: Jannik (von rechts) und Torsten Lühr präsentieren ihren Plasma-Luftfilter unter anderem Vertretern des Pattenser Rates.
© Quelle: Mark Bode
Schulenburg. Die Diskussionen über Luftfilter in Pattenser Kindertagesstätten und Schulen gehen nach einer ersten Entscheidung im Stadtrat weiter. Während die Politik mit knapper Mehrheit für Umluftanlagen in zwei Schulgebäuden und einer Kita gestimmt hatte, kommt nun eine mögliche weitere Variante ins Spiel: Plasma-Luftfilter. Einige Ratsmitglieder waren kürzlich auf Einladung der Unabhängigen Wählergemeinschaft (UWG) bei einer Präsentation in Schulenburg, wo diese Technik vorgestellt wurde. Diesen Vortrag sollen am 13. Juli alle Ratsmitglieder zu hören bekommen. Der Haken: Die Info-Veranstaltung folgt nach der letzten Ratssitzung vor der Sommerpause. Sollte der Plasma-Luftfilter tatsächlich interessant sein, kann die Pattenser Politik erst am 22. September darüber entscheiden.
„Wir sind keine technischen Experten. Es ist aber sicherlich ratsam, sich alle Varianten einmal anzuhören“, sagte der UWG-Fraktionsvorsitzende Arndt Brinkmann bei dem Treffen in Schulenburg. Geschäftsführer Torsten Lühr und dessen Sohn Jannik präsentierten den von ihnen und ihrer Sarstedter Firma Kahiwi entworfenen Plasma-Luftfilter. Der Kontakt zum UWG-Fraktionsvorsitzenden kam zustande, nachdem Lühr in dieser Zeitung gelesen hatte, dass der Stadtrat den Einbau raumlufttechnischer Anlagen plant. Er wollte daher seine Alternative präsentieren.
CDU und SPD-Vertreter sehen mehrere Vorteile
Für die CDU-Fraktion hörte Ratsfrau Ricarda Thieme aufmerksam zu. Die Vorteile aus ihrer Sicht: „Es sind bei diesen Geräten keine baulichen Maßnahmen am Gebäude erforderlich, und es besteht eine kurze Lieferzeit, sodass man die Geräte zum Herbst anbringen könnte.“ Für SPD-Fraktionschef Jens Ernst ist der Plasma-Luftfilter „das Gerät, das erfüllt, was wir wollen – nämlich, dass Kinder sicherer sind“.

Alternative zu HEPA-Filtern? Sarstedter Unternehmer stellen den Plasma-Filter einigen Vertretern des Pattenser Stadtrates vor.
© Quelle: Mark Bode
Dirk Meyer (UWJ) ist bezüglich Luftfiltern in Gebäuden bislang skeptisch gewesen und verwies immer wieder auf das regelmäßige Lüften. „Die jetzt vorgestellte Lösung würden wir als UWJ allerdings mittragen“, sagte er. Für Dirk Erdner (FDP) ist die neue Technik „eine Sache, über die man reden sollte“. Die bei anderen Geräten erforderlichen baulichen Maßnahmen und bei diesen zu erwartenden hohen Folgekosten ließen den Plasma-Filter im Vergleich attraktiv erscheinen.
Torsten Lühr sagte, dass seine Geräte rund 97 Prozent aller Viren aus der Luft beseitigen beziehungsweise inaktiv machen würden. Bei der Alternative mit sogenannten HEPA-Filtern (die Abkürzung steht für „High Efficiency Particulate Air“) seien es zwar mehr als 99 Prozent. Allerdings müssten HEPA-Filter etwa alle drei Monate ausgetauscht werden. Die Plasma-Filter hingegen seien wartungsarm. „Einmal im Jahr sollte man nach dem Kohlefilter sehen. Das kann aber auch ein Hausmeister übernehmen“, erklärte der Kahiwi-Geschäftsführer.
Wie Blätterrauschen: Filteranlage darf bis zu 35 Dezibel laut sein
Er verwies auf bereits verbaute Geräte in mehreren Schulen Niedersachsens, darunter 15 Stück im Otto-Hahn-Gymnasium Göttingen. Auf Nachfrage erklärte Markus Clemens, dortiger Koordinator des elften Jahrgangs, dass die Geräte seit Ende 2020 an jedem Unterrichtstag von 7 bis 17 Uhr liefen. „Es gab bislang eine Reparatur“, sagte Clemens. „Die Geräte sind im Unterricht hörbar, werden von unseren Kolleginnen und Kollegen aber im Allgemeinen nicht als störend empfunden.“ Sie seien meist auf Stufe drei von maximal vier im Betrieb. Bis zu 35 Dezibel dürfte ein Gerät im Klassenraum laut sein. Dies entspräche in etwa einem Blätterrascheln im Wind.
Ob am Otto-Hahn-Gymnasium nun weniger Allergien bei Schülerinnen und Schülern sowie Lehrerinnen und Lehrern auftreten, kann Clemens nicht fundiert sagen. „Das haben wir nicht gezielt untersucht“, teilt er mit. Was er allerdings beobachtet hat: Im Vergleich mit anderen Göttinger Schulen gebe es an seiner Schule weniger Corona-Infektionen – trotz relativ kleiner Klassenräume.
Plasma-Filter wiegt etwa 13 Kilogramm
Lühr erklärte, dass ein Gerät etwa 13 Kilogramm wiegt und somit gewöhnlich problemlos unter die Decke eines Schulraums montiert werden könne. Aufgrund der Maximalleistung von 75 Watt seien zudem keine besonderen Stromanschlüsse erforderlich. Ein Gerät sei für einen 30 bis 40 Quadratmeter großen Raum ausgelegt. „Bei Klassenräumen von etwa 60 Quadratmetern empfehlen wir zwei Geräte“, sagte er. Jedes könne 600 Kubikmeter Luft pro Stunde filtern. Zwar entstehe bei dem technischen Prozess im Inneren des Gerätes Ozon, sagte Lühr. Doch dieses würde aufgrund des ebenfalls in dem Gerät verbauten Aktivkohlefilter nahezu nicht entweichen. „Bei jedem Gewitter entsteht mehr Ozon als in diesen Geräten.“
Preis liegt bei etwa 3000 Euro pro Gerät
Der Preis für die Plasma-Filter liegt – je nach Menge – im Bereich zwischen 2800 und 3000 Euro pro Stück. 1500 Geräte befänden sich auf Lager und könnten innerhalb von zwei Wochen montiert werden, sagte Lühr.
Der Einbau von Umluftanlagen in schlecht lüftbaren Räumen der Kita Usedomer Straße, der Grundschule Hüpede und des A-Trakts der Ernst-Reuter-Schule soll laut Verwaltung 756.000 Euro kosten, davon kommen 432.000 Euro aus dem städtische Etat. Sollten Ratsmitglieder von den bislang favorisierten Umluftanlagen noch abkehren wollen, sei dies durchaus möglich, sagte Pattensens Erster Stadtrat Axel Müller auf Anfrage. „Der Rat kann seine Entscheidung natürlich revidieren.“
Stadt schätzt Kosten bei Umluftanlagen auf bis zu 2 Millionen Euro
Für den Einbau von Filteranlagen in allen Schul- und Kita-Räumen könnte nach Schätzungen der Verwaltung der Eigenanteil der Stadt bei 1,5 bis 2 Millionen Euro liegen. Anwesende Ratsmitglieder hatten bei der Präsentation in Schulenburg grob überschlagen, was die Plasma-Filter im Vergleich kosten würden: Bei etwa 100 Klassenräumen und bis zu zwei Geräten pro Raum sei – mit Einbau – vermutlich eine Summe von 4000 Euro pro Gerät realistisch, hieß es. Ohne jegliche Förderung müsste die Stadt nach dieser überschlägigen Rechnung demnach 800.000 Euro bezahlen.
Artikel: HAZ/NP Leine Nachrichten von Mark Bode, 24.06.2022